Ein Land in der Dürre und was wir aus der Vergangenheit lernen können
Der Iran steht vor einer stillen, aber schweren Umweltkatastrophe. Die jahrzehntelange Übernutzung der Wasserressourcen, unkontrollierte Brunnenbohrungen und der Bau großer Staudämme haben den Grundwasserhaushalt gestört und zu dramatischen Folgen geführt. In vielen Regionen sinkt der Boden ab. Große Teile des Landes, insbesondere um Teheran, Yazd und Isfahan, sind inzwischen von Bodensenkungen betroffen. Satellitenbilder zeigen, dass sich der Boden in Teheran in einigen Gebieten um bis zu 25 Zentimeter pro Jahr absenkt. Dabei handelt es sich nicht um ein langsames, natürliches Phänomen, sondern um eine direkte Folge der übermäßigen Entnahme von unterirdischen Wasserreserven, von denen viele illegal durch unregulierte Brunnen und Landwirtschaft angezapft werden.


Bild: https://iranjournal.org/news/iran-gefaehrliche-bodenabsenkung

Bild: https://www.greenprophet.com/2019/02/irans-capital-city-being-swallowed-by-sinkholes/
Die Ursachen der Krise
Die Ursachen dafür sind vielfältig: Seit der islamischen Revolution 1979 ist die Bevölkerung des Irans von 37 Millionen auf 82 Millionen Menschen angewachsen. Außerdem hat ein Bauboom von Staudämmen die Übernutzung des Grundwassers verstärkt. Die Hauptursache liegt jedoch in einer nicht nachhaltigen Wasserbewirtschaftung. Etwa 90% des iranischen Wassers werden für die Landwirtschaft genutzt - oft über veraltete, offene Kanäle, die zu erheblichen Verdunstungsverlusten führen. Gleichzeitig schrumpfen die natürlichen Reservoirs. Der Grundwasserspiegel um Teheran ist zwischen 1984 und 2011 um 12 Meter gesunken. Flüsse wie der Zayanderud in Isfahan führen nicht mehr das ganze Jahr über oder gar nicht mehr Wasser. Der Bau von Staudämmen flussaufwärts und die Umleitung von Wasser in andere Regionen haben zahlreiche Ökosysteme geschädigt.
Angesichts der Krise wenden sich die Behörden und Landwirte zunehmend tieferen Grundwasserquellen zu. Bis 2022 wurden 320.000 illegale Brunnen gebohrt. Doch je tiefer die Brunnen sind, desto größer sind die Schäden: Das Grundwasser wird schneller entnommen, als es durch Regenfälle oder Zuflüsse wieder aufgefüllt werden kann. Der Boden verliert seine Elastizität, wird dauerhaft verdichtet und beginnt zu sinken.
Historische und kulturelle Einflüsse
Eine der Folgen dieser Krise ist die Zerstörung historischer Bauten. In Isfahan sind Risse in alten Moscheen und Palästen entstanden. Sogar Qanat-Schächte, alte unterirdische Wassersysteme, verlieren durch das Absinken des Bodens ihr Gleichgewicht und stürzen ein. Diese Qanats, die einst eine nachhaltige Wasserlösung darstellten, sind nun in Gefahr und nehmen nicht nur wertvolles Wasser, sondern auch einen Teil des kulturellen Erbes des Landes mit sich.

Qanats: eine 2.500 Jahre alte nachhaltige Lösung
Qanats wurden vor über 2 500 Jahren von iranischen Ingenieuren im trockenen Hochland des Iran entwickelt. Diese unterirdischen Kanäle nutzen das Gefälle des Geländes, um Wasser aus dem Grundwasserspiegel an die Oberfläche zu bringen - allein durch die Schwerkraft, ohne dass Pumpen erforderlich sind. In regelmäßigen Abständen werden Schächte zur Wartung und Belüftung an die Oberfläche geführt. Qanats waren nicht nur genial konstruiert, sondern auch ökologisch vorteilhaft: Sie schützten das Wasser vor Verdunstung, verhinderten Übernutzung und ermöglichten eine stabile landwirtschaftliche Versorgung über Jahrhunderte hinweg, selbst in wüstenähnlichen Regionen.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügte der Iran über mehr als 30.000 dieser Systeme. Heute ist nur noch etwa ein Drittel von ihnen funktionsfähig. Viele wurden zugeschüttet, beschädigt oder einfach vergessen. Dennoch wächst das internationale Interesse an diesem Modell - nicht zuletzt, weil es in Lateinamerika und Nordafrika ähnliche Systeme gibt. In Yazd, einer der trockensten Städte des Irans, sind die Qanats noch in Betrieb. Die Stadt wurde 2017 sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt - auch wegen ihrer traditionellen Wassertechnik.

Könnte die Zukunft in der Vergangenheit liegen?
Viele Experten sagen: Ja, zumindest zum Teil. Der Wiederaufbau funktionsfähiger Qanats könnte zu einer effizienteren und nachhaltigeren Nutzung des Grundwassers beitragen. Aber Tradition allein wird das Problem nicht lösen. Es bedarf eines radikalen Wandels: moderne Wassertechnologie, effiziente Bewässerung, rigoroses Wassermanagement - und vor allem eine Kultur der Achtsamkeit im Umgang mit dieser lebenswichtigen Ressource.
Amena Agharabi, eine iranische Umweltingenieurin, schreibt in ihrer Studie über das Begrünungspotenzial in ariden und semiariden Städten treffend: "Teheran schwimmt in einem Meer von Abwässern, während der Boden austrocknet." Sie argumentiert, dass die Abwasserreinigung nicht nur ausreichend Wasser für öffentliche Grünflächen, sondern auch für die städtische Landwirtschaft liefern könnte. Die Nutzung von gereinigtem Abwasser und Wasser aus anderen Quellen wie Qanats und Flüssen könnte den Wasserstress in den wärmeren Monaten verringern. Ihre Forderung: Nur ein ganzheitlicher, langfristiger Plan - unter Einbeziehung der Bevölkerung - kann die Lebensgrundlage künftiger Generationen sichern.